Ulrike Schiesser studierte in Wien Psychologie und arbeitet als Psychotherapeutin (Systemische Familientherapie) in freier Praxis. Ihre Hauptbeschäftigung ist aber seit 2009 die Mitarbeit in der Bundesstelle für Sektenfragen in Wien, die sie seit Januar 2023 auch leitet. Zu ihrem Aufgabengebiet gehört auch die Beratung direkt Betroffener und ihrer Angehöriger. Arbeitsschwerpunkte sind: Konflikte im Bereich Weltanschauungen, Esoterik und Verschwörungstheorien, Missbrauch von Spiritualität und Religion, Guru-Bewegungen, Okkultismus, Apokalypse und Weltuntergang, radikale und extremistische Ideologien, autoritäre und vereinnahmende Systeme und sektenhafte Gruppendynamik.
Auf der Suche nach Erklärungen für Aberglauben, Wissenschaftsfeindlichkeit und die menschliche Sehnsucht nach dem Wunder ist sie bei der Skeptiker-Bewegung fündig geworden und seither regelmäßig bei GWUP-Veranstaltungen anzutreffen.
2021 erschien im Springer-Verlag das mit Co-Autor Holm Hümmler verfasste Buch „Fakt und Vorurteil: Kommunikation mit Esoterikern, Fanatikern und Verschwörungsgläubigen.“
Verschwörungsgläubige in der Familie - was tun?
In den letzten zwei Jahren war fast jede Person mit Verwandten, Freund:innen, Arbeitskolleg:innen konfrontiert, die an Verschwörungsmythen glaubten, sie missionarisch verbreiteten und dabei emotional und oft aggressiv auftraten. Diskussionen mit ihnen verliefen meist erfolglos, die Gräben schienen unüberwindbar und als Konsequenz wurden Kontakte eingeschränkt oder abgebrochen. Besonders schwierig war die Situation, wenn es das engste Umfeld, die Familie, die eigene Beziehung betraf.
Im Rahmen eines Projekts der Europäischen Kommission wurde ein online Lerntool entwickelt, das Angehörigen dabei helfen soll, das Phänomen Verschwörungsglaube zu verstehen, die Kommunikation zu verbessern und Impulse zum Umdenken zu setzen. Ich stelle im Vortrag dieses Kursprogramm vor, das ich mitentwickelt habe, und das unter anderem auf dem Buch "Fakt und Vorurteil" von Holm Hümmler und mir beruht.
Auch nach Absolvierung dieses Lernprogramms werden Sie den schwurbelnden Onkel und die medizinskeptische Lebensgefährtin nicht zu glühenden Skeptikern machen. Die Chance, dass diese ihre Position verändern, ist gleich groß wie die Wahrscheinlichkeit, dass Sie selbst sich überzeugen lassen. Aber das gegenseitige Verständnis könnte wachsen, die Gespräche konstruktiver verlaufen und eine differenziertere Sichtweise angeregt werden. Ein erster kleiner Erfolg kann schon sein, wenn Ihnen beim Familientreffen nicht die Torten um die Ohren fliegen.