Axel Ebert ist Psychologe, seit über 20 Jahren Trainer, Vortragender, Kommunikations-Berater und Co-Autor von „Bullshit Busters. 21 Irrtümer und Mythen aus Vorträgen, TV und Büchern". [Foto: Thomas Wozak]
Warum halten sich Pseudo-Erklärungen so hartnäckig? Von Cargo-Kulten, verallgemeinerten Placebos und dem Rationalitäts-Quotienten
Unrealistische Wissenschafts-Analogien, wie z.B. das postulierte Quantenfeld in der systemischen Aufstellung, lassen sich als Cargo-Kult darstellen, als naive Simulation. Doch so bildstark die Cargo-Kult-Analogie auch ist, sie erklärt nicht, warum sich viele Pseudotheorien so lange halten. Müssten wirkungslose Theorien nicht rasch verschwinden?
Ein Blick in die Geschichte verdeutlicht, dass die emotionale Nützlichkeitswahrnehmung zentral für den Erfolg von Pseudo-Erklärungen ist. Der angstlindernde Regentanz des frühzeitlichen Schamanen bot die hoffnungsstiftende Kontrollillusion (Consulting 1.0), die die Gläubigen ausharren ließ, bis es endlich regnete. Zwar lösten vor ca. 5.000 Jahren Bewässerungssysteme das Dürreproblem besser (Consulting 2.0). Doch gegenüber dem Wasserbau-Ingenieur, der „nur“ das nüchterne Problem löste, beeindruckte der Schamane mit der weiter reichenden, emotionalen Erklärung über die Verärgerung der Götter.
Solche Effekte glaubensbasierter Handlungen wurden bereits 1979 vom Anthropologen L. Tiger als „verallgemeinertes Placebo“ beschrieben. Die psychologische Forschung der letzten Jahrzehnte hat eindrucksvoll gezeigt, wie unser Gehirn dieses Placebo-Denken begünstigt – mit serienmäßig eingebauten Verzerrungen wie overconfidence-, hindsight-, belief- und self-righteous-bias. Dieser Hang zu gefühlten Wahrheiten (Truthiness) ist Teil unseres Menschheitserfolgs – aber auch unserer Tragik: verallgemeinerte Nocebos wie aggressive Nationalismen, angsterhaltende Glaubenssysteme, Wissenschaftsignoranz und andere Realitätsverzerrungen.
Sind wir Menschen nicht intelligent genug, um Truthiness zu enttarnen? Keith E. Stanovich sieht das anders. Er entwickelte mit dem RQ (Rationalitäts-Quotienten) ein vielversprechendes Konzept: Kritisches Denken ist nicht direkt an Intelligenz gebunden und kann erlernt werden. Schnelle Intention und langsames analytisches Denken – beides hat Schwächen, denen wir gezielt aus dem Weg gehen können, und Stärken, die wir gezielt einsetzen können. Beispiele dazu im Vortrag.