Sylvia Stang ist Zahnärztin und engagiert sich im Sinne von Aufklärung und Patientenschutz gegen Pseudomedizin und Scharlatanerie.
Die Geschichte der Kurpfuscherei in Deutschland
Neben der Berufsgruppe der approbierten Mediziner hat es zu allen Zeiten Kurpfuscher, Scharlatane und Quacksalber gegeben. Sie wurden zeitweise von Ärzten oder Vertretern der Regierungen vehement bekämpft, in manchen Gegenden und zu manchen Zeiten ließ man sie gewähren.
Nachdem in Deutschland im Jahr 1869 das Kurpfuschereiverbot aufgehoben worden war, setzte ein regelrechter Boom von Laienbehandlern ein. Einen vorläufigen Höhepunkt erlebte die Entwicklung um die Jahrhundertwende. Zu dieser Zeit gab es schon zahlreiche Versuche von ärztlichen Verbänden oder staatlichen Gesundheitsbehörden, dem Treiben ein Ende zu bereiten oder es zumindest einzudämmen, jedoch ohne erkennbare Erfolge.
Im ersten Weltkrieg dann haben es die Militärbehörden mit der Begründung, die Wehrkraft sei durch Kurpfuschertum gefährdet, teilweise geschafft, die übelsten Auswüchse einzudämmen. In der Zeit der Weimarerer Republik kam es allerdings zu einem erneuten Erstarken der Laienheilerbewegung. Besonders durch die Mittel moderner Reklame haben es einige Kurpfuscher geschafft, viele tausende Patienten zu sich zu locken und einen immensen Reichtum zu erlangen.
Etliche Laienbehandler waren vehemente Impfgegner, sie rieten ihren Patienten ab, sich von Ärzten behandeln zu lassen, und machten ihnen Angst vor der „seelenlosen“ Schulmedizin. Sie schafften es immer besser, durch gezielte Fehlinformationen und öffentliche Denunziationen, das Vertrauen in die Ärzteschaft zu untergraben.
Die Gefahr, die dadurch für die Volksgesundheit entstand, war der Grund, weshalb 1939 dann das Heilpraktikergesetz beschlossen wurde. Es sollte zumindest sicherstellen, dass sich keine kriminellen Subjekte mehr an kranken Menschen zu schaffen machen konnten und Geschlechtskrankheiten und gefährliche Seuchen sich nicht weiter ausbreiteten.
Dieses Gesetz gilt bis heute.
Die neueste Initiative, die sich kritisch mit dieser Situation befasst und die Abschaffung oder grundlegende Reform der Heilpraktikertätigkeit fordert, ist der Münsteraner Kreis um Prof. Dr. Bettina Schöne-Seifert (Lehrstuhl für Medizinethik an der Universität Münster). Die Mitglieder des Kreises prangern an, dass durch die gesetzlich fixierte Bezeichnung „Heilpraktiker” Patienten suggeriert wird, es handle sich um staatlich geprüfte Heiler, die im Grunde äquivalent zu Ärzten ausgebildet seien.