Sebastian Herrmann, Jahrgang 1974, ist Wissenschaftsredakteur der Süddeutschen Zeitung und Autor mehrerer Bücher – darunter „Starrköpfe überzeugen. Psychotricks für den Umgang mit Verschwörungstheoretikern, Fundamentalisten, Partnern und ihrem Chef“ sowie zuletzt „Der Krankheitswahn. Wir sind gesünder als wir uns fühlen und die Industrie uns glauben lässt“.
Sebastian Herrmann hat Politikwissenschaft, Geschichte und Psychologie in München, Edinburgh und Kuala Lumpur studiert. Bei der Süddeutschen Zeitung berichtet er regelmäßig über Sozialpsychologie und irrationale Glaubenssysteme. Für seine Arbeit wurde er 2016 mit dem Preis für Wissenschaftspublizistik der Deutschen Gesellschaft für Psychologie ausgezeichnet.
Gefühlte Wahrheit Von wegen Fakten, Fakten, Fakten – die Psyche entscheidet, was als richtig oder falsch gilt. Ein paar psychologisch fundierte Ratschläge für den Umgang mit Starrköpfen
Vor Jahren entließ Andrew Wakefield eine Lüge in die Öffentlichkeit, die bis heute durch die Welt vagabundiert. Der Arzt arbeitete für Auftraggeber, die sich eine Veröffentlichung wünschten, mit der sie ihre Agenda vorantreiben konnten. Er fabrizierte eine alarmierende Studie. Es gelang ihm, seine Fälschung in einem renommierten Fachblatt zu publizieren. Nach viel zu langer Zeit flog der Schwindel auf. Der Arzt verlor die Approbation. Die Studie wurde als gefälscht gebrandmarkt. Und gerade deshalb wirkt die Lüge des Andrew Wakefield bis heute: Noch immer fürchten viele Eltern, dass die Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln Autismus auslösen könnte.
Die Karriere der Impfhysterie offenbart ein Dilemma. Wer aufklären will, erreicht oft das Gegenteil. Wer Gerüchte widerlegt, befeuert deren Verbreitung. Zugleich darf Desinformation nicht unwidersprochen bleiben. Mediziner waren gezwungen, die irrigen Behauptungen ihres Kollegen zu entkräften. Sie konnten die Angst vor der Immunisierung nicht ignorieren. Sie mussten dem entgegentreten. Doch haben sie der Lüge ihres Kollegen so eine noch größere Bühne verschafft.
Vor dem gleichen Dilemma stehen Politik, Medien, Öffentlichkeit und auch die Mitglieder der GWUP: Sie müssen auf die vielen Fehlinformationen reagieren, die sich in der Flüchtlingsdebatte verbreiten; sie müssen Aussagen widerlegen, die von Figuren wie Donald Trump, Parteien wie der AfD oder den Befürwortern des Brexit in Großbritannien in die Öffentlichkeit und die Köpfe des Publikums entlassen werden; sie müssen auf die größtenteils widersinnigen Inhalte aus der Esoterik und Alternativmedizin reagieren, die unter schreckend vielen Menschen als wahr gelten.
Derzeit rufen Publizisten gerne die Post-Fakten-Ära aus – ein Zeitalter einer generellen Informationsüberdosis, in der nur mehr an das geglaubt wird, was sich in das eigene Weltbild einpassen lässt und in der Fakten keinerlei Relevanz mehr besitzen. Damit haben sie nur bedingt recht: Reine Fakten haben noch nie die Überzeugungskraft entfaltet, die sie haben sollten. Ganz entscheidend ist vielmehr, dass sich diese Fakten auch wahr anfühlen müssen – und das geschieht nur unter gewissen Bedingungen.
Wer zum Beispiel eine Fehlinformation widerlegen möchte, muss sie erzwungenermaßen in Teilen wiederholen. Das aber hilft zum Beispiel schon, diese Unwahrheiten weiter zu verbreiten und wilde Gerüchte in gefühlte Wahrheiten zu verwandeln. Erzeugt eine Aussage aber Empfindungen von Vertrautheit, fördert dies eine Illusion der Wahrheit. Es kostet weniger geistige Mühe, bekannte Informationen zu verarbeiten – und wenn etwas geistig wenig anstrengt, akzeptiert ein Mensch diese Informationen mit höherer Wahrscheinlichkeit als zutreffend.
Die Psyche eines Menschen fällt – mehr oder weniger automatisch – das Urteil darüber, ob eine Aussage als wahr akzeptiert oder als falsch zurückgewiesen wird. Und unter manchen Umständen fühlen sich Aussagen eher als wahr an. Der Vortrag wird diese generellen Denkmuster darstellen und vor allem Beispiele zu liefern, wie Informationen präsentiert werden können, so dass sie stärkere Überzeugungskraft entfalten oder wenigstens nicht das Gegenteil bewirken. Außerdem werden Fehler aufgezeigt, die künftig vermieden werden sollten.
Die Psyche entscheidet, ob ein Argument überzeugt. Wer das bezweifelt, der möge berichten, wie er zum Beispiel einen glühenden Homöopathen vom Wahnwitz dieser Therapierichtung überzeugt hat, indem er diesem eine methodisch irre gut gemacht Studie präsentiert hat, die dieses einwandfreie Ergebnis gebracht hat. Und? Genau. So etwas passiert nicht. Die Studie kann so gut sein wie nur was, der Homöopath wird an seinen Kügelchen festhalten. Doch es existieren andere Wege.