Christoph Bördlein studierte Psychologie und Germanistik an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Er arbeitete als Psychologe in einem Berufsförderungswerk und leitete die Stabsstelle Psychosozialer Dienst/ Betriebliches Gesundheitsmanagement beim Bundesrechnungshof. Seit 2015 ist er Professor für Allgemeine und Klinische Psychologie und verhaltensorientierte Handlungslehre an der Technischen Hochschule Würzburg- Schweinfurt (THWS). Sein Interessensschwerpunkt ist die angewandte Verhaltensanalyse, insbesondere die verhaltensorientierte Arbeitssicherheit (Behavior-Based Safety, BBS). Er ist Autor des Standardwerks zum Thema BBS, einer Einführung in die Verhaltensanalyse, einer Methodenlehre der angewandten Verhaltensanalyse sowie der kurzweiligen Einführung ins skeptisch-wissenschaftliche Denken „Das sockenfressende Monster in der Waschmaschine“, in der der Autor erklärt, wie man außergewöhnliche Behauptungen unvoreingenommen auf ihren Wahrheitsgehalt hin prüft. Christoph Bördlein ist seit 1997 Mitglied der GWUP. Er hat mehrfach im „Skeptiker“ publiziert. Seit 2021 ist er Mitglied im Wissenschaftsrat der GWUP.
Neues vom Barnum-Effekt
Als Barnum-Effekt bezeichnet man die Tendenz von Menschen, allgemeingehaltene Aussagen als zutreffend für die eigene Person einzuschätzen. Die Grundlage des Barnum-Effekts (manchmal auch Forer-Effekt) ist ein Barnum-Text. Dieser besteht aus allgemeingültigen Aussagen, die auf fast jeden Menschen zutreffen („Sie sind Neuem gegenüber aufgeschlossen“), sich gegenseitig aufhebenden Aussagen („Sie sind gerne unter Leuten, mögen es aber auch, mal für sich zu sein“) und schmeichelhaften Aussagen (sog. „Balsam-Texte“, z. B. „Sie verfügen über eine gute Menschenkenntnis“). Wenn dieser Text einer Person unter der Voraussetzung präsentiert wird, der Text sei explizit für sie geschrieben worden (z. B. als Ergebnis eines Persönlichkeitstests oder einer astrologischen oder graphologischen Analyse), tritt der Fehler der persönlichen Validierung ein und die Person akzeptiert den Text als überwiegend oder vollständig auf sie zutreffend. Schon frühe Forschungen zum Barnum-Effekt (Bördlein, 2000, 2002) nutzten ein Untersuchungsdesign, bei dem zuerst eine Rechtfertigung für die Erstellung des Barnum-Textes erzeugt wird (z. B. muss die Versuchsperson eine Schriftprobe abgeben, die angeblich sodann graphologisch ausgewertet wird). Anschließend erhält die Person den Text mit den Barnum-Aussagen (z. B. in Form eines „graphologischen Persönlichkeitsgutachtens). Zuletzt wird die Person gebeten zu bewerten, für wie zutreffend sie den Text als Ganzes und ggf. auch einzelne Aussagen des Textes einschätzt. Dabei wird in der Regel eine sehr hohe Zustimmungsrate berichtet, d. h. die meisten Versuchspersonen betrachten den Barnum-Text als für sie sehr oder überwiegend zutreffend.
Der gegenwärtige Forschungsstand zum Barnum-Effekt wird vorgestellt. Dabei wird zwischen personenbezogenen Variablen (welche Menschen sind für den Barnum-Effekt besonders anfällig? – z. B. Bördlein (1999)) und situativen Faktoren (unter welchen Bedingungen werden Barnum-Texte am häufigsten als zutreffend eingeschätzt?) unterschieden. Empirische Studien aus dem Institut für angewandte Sozialwissenschaften der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt untersuchten u. a. den Einfluss der Aufwandsrechtfertigung auf das Ausmaß des Barnum-Effekts (werden Barnum-Aussagen als glaubwürdiger eingeschätzt, wenn die Versuchspersonen zuvor viel Aufwand betreiben musste, also z. B. viele Fragen in einem Persönlichkeitsfragebogen beantworten mussten?) oder ob die subjektive Gewissheit, sich selbst gut zu kennen mit der Akzeptanz von Barnum-Aussagen zusammenhängt.