Dr. habil. Benedikt Wisniewski
Dr. habil. Benedikt Wisniewski ist Schulpsychologe, Supervisor und Coach. Er war lange als Lehrer und in der Lehrerbildung tätig und forschte zum Thema Feedback. Als Fachbuchautor und in seinem Podcast „Psychologie fürs Klassenzimmer“ beschäftigt er sich mit psychologischen Themen im Kontext Schule.
Kritisches Denken – Wie die Institution Schule eine Kompetenz vermitteln soll, die sie selbst nicht anwendet
Die OECD markiert kritisches Denken als einen der sogenannten 21st century skills und fordert von der Institution Schule, Lernenden diese Fähigkeit beizubringen. Kritisches Denken als Form des zielgerichteten, problemorientierten Denkens, bei der eine Person Ideen oder mögliche Lösungen auf Fehler oder Schwachstellen überprüt (APA),
- wird als Fertigkeit aufgefasst, die für das 21. Jahrhundert in besonderer Weise relevant sei,
- wird als generische, also als universelle Fertigkeit aufgefasst, die unabhängig von einem spezifischen Kontext oder einer bestimmten Aufgabe anwendbar und von Bereich zu Bereich transferierbar sei und
- wird als Fertigkeit aufgefasst, die durch schulische Maßnahmen gefördert werden kann, die bekannt seien.
Alle drei Prämissen halten einem kritischen Denken nicht stand. Warum das so ist, soll in diesem Vortrag erläutert werden. Es geht darum, zu zeigen, dass das Verständnis eines förderbaren generischen skills aus psychologischer Perspektive problematisch ist und durch bisherige kognitionspsychologische Forschung nicht gestützt wird. Es soll außerdem gezeigt werden, dass es für die Förderung kritischen Denkens durch das System Schule bisher kaum belastbare Befunde gibt und viele gängige Ansätze nicht substantiiert sind. Und nicht zuletzt geht es darum, wie bei dem Versuch der Förderung kritischen Denkens dadurch ein Dilemma entsteht, dass gerade die Berufsgruppe, die für die Förderung verantwortlich gemacht wird – Lehrerinnen und Lehrer – diese Form des Denkens in Bezug berufsspezifische Merkmale selbst kaum anwendet.